Bericht
von Wilhelm Schröder
eljaba@wilh-schroeder.de


 
Papenburg - das Venedig des Nordens

 
Hoch im Nord-Westen Deutschlands und ganz nahe der holländischen Grenze liegt an dem kleinen Flüsschen Ems die Stadt Papenburg. Diese ehemalige Moorkolonie ist von Kanälen durchzogen und ein Eldorado für Fahrradfahrer und Angler.

Glaubt man den vielen Geschichten, die über Papenburg und seiner Gründung erzählt werden, so wird in wenigstens einer erwähnt, dass die Stadt - ähnlich wie der australische Kontinent - von ehemaligen Strafgefangenen besiedelt wurde. Diese hatten die Aufgabe, das unendliche tiefe und weite Moor zu entwässern und bewohnbar zu machen. Als Gegenleistung wurde ihnen ein Grundstück versprochen und die Freiheit zugesichert.

Belegt ist das nicht, sicher ist aber, dass schon um das Jahr 1430 der Name der Stadt Papenburg in der Chronik der Friesen erwähnt wird und um 1630 der Graf von Velen das heutige Papenburger Areal kauft. Das mit vielen gruseligen Geschichten belegte Moor wird von ihm trocken gelegt, indem er lange und breite Entwässerungskanäle graben lässt. Und den dort im Norden des Landes bis zur völligen Erschöpfung schwer arbeitenden Menschen verspricht er Land zum Besiedeln für die nächste Generation. Aus dieser Gegend stammt dann auch der Spruch: dem ersten der Tod, dem zweiten die Not und dem dritten das Brot.

Die Geschichte der Stadt Papenburg ist also eng mit seinen Kanälen verbunden und lässt sich auch heute noch hervorragend nacherleben. Die vielen Straßen links und rechts der Kanäle sind allesamt flach und haben seit jeher die Menschen dazu angehalten, sie mit Fahrrädern zu befahren.

Heute ist die Region Emsland/Ostfriesland ein begehrtes Reiseziel gerade für Fahrradtouristen, die es schätzen, besonders auf den Straßen entlang der Kanäle keine Anstiege vorzufinden. Gelegentlich müssen sie sich auf ihren Touren mit dem Wind auseinandersetzen, sofern er ihnen entgegen bläst. Hat man ihn jedoch im Rücken, ist das Erkunden der Gegend auf dem Fahrrad noch wesentlich schöner als im offenen Cabrio. Und überall trifft man auf nette Menschen, mit denen man schnell ins Gespräch kommt – wenn man denn will.

Natürlich hat man für die geschichtlich interessierten Besucher Papenburgs ein Museum eingerichtet, welches die Knochenarbeit der ersten Siedler der Stadt verdeutlicht. In der 'von-Velen-Anlage’ sieht man, wie mühselig der Torf abgebaut wurde, wie aus diesem Torf die ersten Häuser gebaut wurden, die nicht einmal groß genug waren, um aufrecht darin zu stehen oder ausgestreckt in ihnen zu schlafen.

Papenburg entwickelt sich schnell und es entstehen viele kleine Werften entlang der Kanäle. Sie bauen Pünten (kleine Schiffe, die in flachen Gewässern zurechtkommen), mit denen der abgebaute Torf in das benachbarte Ostfriesland geschippert wird, wo ihn die reichen Bauern zum Heizen verwenden.

Von den vielen kleinen Werften, die es zu Beginn des 19 Jahrhunderts in der Stadt gab, ist heute nur noch eine einzige übrig geblieben. Diese aber hat inzwischen Weltruhm erlangt: die Meyer Werft. Sie baut bis zu 300 m lange Kreuzfahrtschiffe, und wenn mal wieder eines dieser Schiffe fertig gestellt ist und über die kleine Ems in die Nordsee übergeführt wird, säumen zigtausende von angereisten Touristen den kleinen Fluss und verfolgen aufmerksam das Spektakel. Aber auch wenn gerade kein Schiff die Meyer-Werft verlässt, ist jederzeit ein Besuch dieser riesigen Werftanlage und des darin integrierten Besucherzentrums möglich und vor allem lohnend.

Die Kanäle Papenburgs sind natürlich schon lange nicht mehr schiffbar. Aber im Winter bieten sie den Eisläufern unendlich weite Eislaufflächen, ähnlich wie in Holland, wenn es in strengen Wintern wieder einmal die '11-Steeden-Tocht’ gibt (das Wettlaufen auf Schlittschuhen durch insgesamt 11 Städte, die allesamt durch Kanäle verbunden sind). Auch in Papenburg sieht man dann besonders die Kinder mit ihren Schlittschuhen auf den Kanälen laufen.

Im Sommer hingegen hat sich eine andere Spezies dieses Wasserparadies erobert. Überall sieht man Angler, die auf Rotbarsch, Schleie, Hecht oder Aal aus sind. Und sie werden an den Kanälen geduldet, auch wenn sie keinen Berechtigungsschein erworben haben. Allerdings gilt dies nur für die innerhalb der Stadt liegenden fischreichen Kanäle, für die nahe liegende Ems oder dem Ems-Seitenkanal braucht man dann doch wieder eine Angelkarte.

Kommen wir noch einmal zurück auf die wunderbar flachen Straßen der Region in und um Papenburg. Inzwischen gibt es mehrere gut ausgewiesene Fahrradrouten, die das gesamte Umland bis ins benachbarte Holland erfassen.

Selbst Fahrradtouren an die Nordsee sind von Papenburg aus möglich. Allerdings wird man dann doch irgendwo Zwischenstationen machen müssen, denn das dürfte wahrscheinlich nur gut trainierten Radrennfahrern gelingen, die Nordsee von Papenburg aus in einem Tag hin und zurück zu schaffen. Und wer es dann doch nicht ganz so weit möchte, radelt ins benachbarte Holland oder er fährt ins südlich gelegene Lathen und leistet sich als Belohnung für die zurückgelegten gut 30 km eine Sonderfahrt mit dem Transrapid. Das ist die (Magnet)bahn der Zukunft, die mit über 400 km/h ihre Testrunden im Emsland dreht und besonders im Sommer den Gästen Mitfahrgelegenheit bietet.

Diese 400 km/h dürften dann im Emsland auch das Nonplusultra an Geschwindigkeit sein, die man erreichen kann. Auch die mitten im Moor angesiedelte Mercedes-Teststrecke sollte hier nicht mithalten können, selbst wenn dort ein Michael Schumacher einmal am Steuer eines Testboliden sitzen sollte. Zudem ist diese Teststrecke auch nicht immer zugänglich. Gelegentlich jedoch wird ein Fahrsicherheitstraining von Profis für Profis angeboten, zu dem man sich anmelden kann.

Alles in allem findet man in Papenburg ideale Möglichkeiten für einen Kurzurlaub. Und es soll schon mehr als einen Feriengast gegeben haben, der sich während seines Urlaubs in der Kanalstadt so wohl gefühlt hat, dass er sich auf seine alten Tage dort endgültig niedergelassen hat. Einmal sicherlich wegen der gesunden sauberen Luft, aber auch wegen der noch halbwegs akzeptablen Immobilienpreise.



© Wilhelm Schröder, Papenburg

Veröffentlichungen des Berichts oder Teile davon nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verfassers


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